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Alles Greenwashing, oder was?

Aktualisiert: 15. Mai

Über die Wirkung bzw. den Impact von nachhaltiger Geldanlage

Mag. Robert Zepnik @ ZEPCON GmbH – Mai 2023


Summary

Einführung

Impact und Impact-Kanäle

Portfolioallokation

Theoretische Studien

Empirische Studien

Engagement

Empirische Studien

Weitere Effekte

Informationen erzeugen

Reputation beeinflussen

Bewusstseinsbildung

Managementvergütung

CO2-Neutralisierung über Emissionsrechte

Unterstützung von Klimaaktivist:innen


Summary

Für Investor:innen wird es immer wichtiger, dass ihre Geldanlagen auch eine messbare Wirkung erzielen. Es gibt eine große Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten, die theoretisch zeigen, wie nachhaltige Investitionen Wirkung erzielen können. Empirisch gibt es zumindest erste Anzeichen dafür, dass über die Wirkungskanäle „Portfolioallokation“ und „Engagement“ bereits Impact erzielt wurde.


Aktuelle Medienberichte über weit verbreitetes Greenwashing (nicht nur in der Finanzbranche) haben jedoch vielfach zu Verunsicherung geführt.


Obwohl die konkrete Quantifizierung der Impact-Leistung von Investmentfonds mehrere Herausforderungen mit sich bringt und niemals perfekt sein wird, wird erwartet, dass sie neue und wichtige Informationen generiert. So soll ab 2024 (stufenweise bis 2029) in der EU auch ein transparenteres verpflichtendes System an nicht-finanzieller Berichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive - CSRD) für mehr Transparenz und Datenqualität in puncto Nachhaltigkeit sorgen. Erweitert und vervollständig werden soll diese Berichtspflicht sukzessive mit der Lieferketten-Richtline (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDD), wo Unternehmen auch ihre weltweiten Lieferketten überwachen und optimieren sollen. Es ist zu hoffen, dass allein die Existenz solcher Informationen nachhaltige Investmentfonds und auch Indexanbieter dazu ermutigt, (noch) mehr Anstrengungen zu unternehmen, um eine (noch) nachhaltige(re) Wirkung zu erzielen.


Doch letztlich kann „nachhaltige Geldanlage“ nicht trivial sein.


Anleger:innen haben unterschiedliche Ansprüche, unterschiedliche Werte, unterschiedliche Informationsstände und auch unterschiedliche Bereitschaft, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Leider gibt es aktuell keine oder nur unzureichende Informationsquellen für Private. Dies führt dazu, dass die einzelnen angebotenen Finanzprodukte nur mit sehr großem Aufwand, nachhaltige Portfolios - bestehend aus mehreren, aufeinander abgestimmten, Produkten - so gut wir gar nicht eigenständig auf Nachhaltigkeit geprüft werden können. Dazu braucht es echte Experten, die nachhaltige Geldanlage in all ihren Facetten verstehen UND die geeigneten tools dazu haben, die Nachhaltigkeit von Investments beurteilen und auf die Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden abstimmen zu können.


Anbieter von nachhaltigen Investments haben vielfach nicht die gleichen Ziele. Diese müssen a priori nicht verwerflich sein und Greenwashing darstellen. Das hängt u.a. von der Herkunft der Anbieter ab (in Frankreich wird Kernkraft völlig anders gesehen als in Deutschland oder gar in Österreich) oder einfach auch nur von den regulatorischen Vorschriften: Solange sich Fondsanbieter an die EU-Definition von Nachhaltigkeit halten (müssen), steht und fällt deren Investmentuniversum mit ebendieser Definition – der Taxonomie. Die Definition von Investments in Kernenergie und Erdgas als nachhaltig hat schon zu einem Vertrauensverlust der Investor:innen geführt. Sollten die jüngsten Pläne der Kommission, Flug- und Schifffahrt als nachhaltig zu deklarieren, tatsächlich umgesetzt werden, werden wohl für viele Investor:innen all die Bemühungen des „Sustainable Action Finance Plan“ als Teil des EU-Green-Deals umsonst gewesen sein.


  • Investor:innen können – wie der vorliegende Beitrag zeigt – mit nachhaltiger Geldanlage eine Veränderung in der realen Wirtschaft initiieren und so für mehr Klimaschutz sorgen.

  • Geneigte Investor:innen müssen aktuell viel Zeit, Energie und Recherche investieren, um Investments zu finden, die einigermaßen nach ihren Vorstellungen veranlagen.

  • Wirklich interessierte Investor:innen können sich derzeit nur auf professionelle Beratung auf Basis transparenter und nachhaltiger Kennziffern aus seriösen Quellen verlassen. Dafür bekommen sie auch ein perfekt auf ihre Ansprüche abgestimmtes, professionell zusammengestelltes Portfolio und nicht nur einzelne Produktlösungen.



Einführung

Der Kampf gegen den Klimawandel hat höchste gesellschaftliche Relevanz. Dies wirft die Frage auf, ob und wie Investmentfonds bzw. ETF dazu beitragen können, den Klimawandel zu bekämpfen. Hierbei sind die Meinungen derzeit geteilt: Während immer mehr Investmentfonds für ihren positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit und insbesondere zur Klimaverbesserung werben, werden zunehmend Stimmen laut, die den nicht-finanziellen Nutzen nachhaltiger Investitionen anzweifeln und von „Greenwashing“ sprechen.


Greenwashing („Grünwaschen“ oder „Grünfärben“) heißt, sich grüner darzustellen, als man wirklich ist. Genau definiert ist der Begriff nicht, die Grenzen sind fließend. Weil auch nicht exakt festgelegt ist, was „nachhaltig“ bei der Geldanlage heißt, ist die Abgrenzung umso schwieriger. Anleger:innen selbst haben oft unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit und den Zielen ihrer Veranlagungen. Die EU hat mit diversen Regulatorien versucht, Nachhaltigkeit einheitlich zu definieren, indem sie bspw. in der Taxonomie festlegt, welche unternehmerischen Tätigkeiten als umweltfreundlich oder nachhaltig gelten und welche eben nicht. In der Finanzwelt steht gemeinhin das Buchstabentrio „ESG“ für Nachhaltigkeit. E – Environment steht dabei für die Umweltkomponente, S – Social für die soziale und G – Governance für die gute Unternehmensführung. Alle drei Dimensionen dieses Trios unter einen Hut zu bringen, liegt in der Absicht, die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs – Sustainable Development Goals) abzubilden. Dass dies regelmäßig zu Missverständnissen führt, wird leider oft übersehen: Eine umweltfreundliche Investition muss nicht zwingend sozial sein und umgekehrt. Eine gute Governance führt oft, aber eben nicht immer zu nachhaltigen Unternehmen.


Auf der einen Seite beschäftigt sich nachhaltige Geldanlage mit der Frage nach dem Einfluss des Klimawandels und des damit verbundenen Transformationsprozesses der Wirtschaft auf Unternehmen sowie auf die Renditen und v.a. die Risiken von Finanzanlagen. Prominente ESG-Kennziffern, wie z.B. das Rating von „MSCI ESG“ (AAA – CCC) versuchen diese „outside-in"-Risiken zu bewerten.


Obwohl auch diese Betrachtung bei der Portfoliokonstruktion von großer Bedeutung ist, möchten wir uns in vorliegendem Beitrag[1] vor allem mit der Frage beschäftigen, was der Begriff „Wirkung“ oder „Impact“ (Betrachtung „inside-out“) von Geldanlagen (Fonds bzw. ETF) bedeutet und welche Studien (theoretisch und empirisch) dazu vorliegen.


Es ist offensichtlich, dass die Aktivitäten von Unternehmen direkte Auswirkungen bspw. auf den Klimawandel haben können. Eine Bewertung dieser Auswirkungen im Hinblick auf Nachhaltigkeit erfolgt regelmäßig mit Hilfe von E(SG)-Daten. Damit nun ein Investmentfonds Impact haben kann, ist es notwendig, dass die Unternehmen aufgrund der Investmentfonds nachhaltiger handeln, d.h. dass ein Effekt durch die Investmentfonds selbst verursacht wird. Diese Anforderung wird auch als „Additivität der Investition" bezeichnet.



Impact und Impact-Kanäle

Derzeit wird der Begriff „Impact" unterschiedlich definiert und genutzt. Eine pragmatische und zugleich klare Definition enthält folgende Aspekte für den Begriff „Impact von Investitionen (oder Investmentfonds)":

  • Nachhaltige Investitionen haben einen Impact, wenn sie selbst einen positiven Effekt haben (z.B. auf die Realwirtschaft, die Umwelt und die Gesellschaft) bezüglich des jeweiligen Nachhaltigkeitsziels ("Additivität").

  • Der Impact der Investition ergibt sich in der Regel daraus, dass sie Unternehmen dazu anspornt, nachhaltiger zu handeln als sie es sonst tun würden. Siehe dazu auch Abbildung 1.

  • Diese positiven Effekte müssen logisch nachvollziehbar und zumindest zu erwarten sein, da sie im Allgemeinen nicht individuell quantifizierbar sein werden.

Abbildung 1: Impact von Finanzinvestitionen


Während es viele Daten zu unternehmerischer Nachhaltigkeit gibt, gibt es kaum Daten zum Einfluss von Finanzinvestitionen im Allgemeinen und insbesondere zum Einfluss von Investmentfonds. Dies liegt hauptsächlich daran, dass derzeit verschiedene Definitionen und Modelle für den Begriff „Impact Investing“ in Forschung und Praxis vorgeschlagen werden.


Die folgende Abbildung zeigt die derzeit gängigen Kanäle von Impact bzgl. nachhaltiger Geldanlage:

Abbildung 2: Wirkungs- (Impact-) Kanäle



Portfolioallokation

Einer der Hauptargumente für die Wirksamkeit und den Einfluss nachhaltiger Investitionen besteht darin, dass Banken und Finanzinvestoren wie beispielsweise Investmentfonds Kapital für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten bereitstellen und so deren Durchführbarkeit ermöglichen und das Wachstum stimulieren können, während sie die Finanzierung für nicht nachhaltige Aktivitäten verweigern und diese dadurch unrentabel machen und das Schrumpfen fördern. Dieser direkte Mechanismus, Kapital bereitzustellen und zu verweigern, wird jedoch selten funktionieren, da Unternehmen fast immer in der Lage sein werden, Kapital zur Finanzierung ihrer Aktivitäten anderweitig zu beschaffen, wenn es erforderlich ist.


Stattdessen kann erwartet werden, dass nachhaltige Investitionen in Form von Kapitalbereitstellung und -verweigerung durch nachhaltige Investoren indirekte Effekte stimulieren werden. So ist es beispielsweise möglich, dass sich die Finanzierungsbedingungen alternativer Kapitalquellen ändern, was Auswirkungen auf die Aktienkurse von Unternehmen und deren Kapitalkosten haben kann. Bei nicht nachhaltigen Unternehmen kann dies zu höheren Kapitalkosten führen und somit einen Wechsel hin zu nachhaltigerem Verhalten auslösen. Bei nachhaltigen Unternehmen kann dies zu niedrigeren Kapitalkosten führen und somit das Wachstum stimulieren. Die Auswirkungen dieser indirekten Effekte hängen vom Marktanteil nachhaltiger Investoren ab.


Die Entscheidungen von nachhaltigen Investmentfonds, Kapital bereitzustellen, werden in ihren Kapitalallokationsstrategien widergespiegelt und kommuniziert. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, einen Einfluss zu erzielen: Durch Investitionen in bestimmte Wertpapiere und durch Boykott oder Verkauf anderer Wertpapiere. Diese werden in Abbildung 2 als „Investitionen" und „Desinvestitionen" dargestellt. Sehr wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind, ob solche Strategien grundsätzlich den gewünschten Einfluss auf die Nachhaltigkeit von Unternehmen haben können und ob solche Auswirkungen bereits eingetreten sind.


Theoretische Studien

Heinkel et al. (2001)[2] zeigen den Effekt von Ausschlüssen von „braunen" Aktien aus Portfolios auf die Nachhaltigkeit von „braunen" Unternehmen in theoretischer Hinsicht.


Dabei machen sie die vereinfachende Annahme, dass es nur zwei Arten von Unternehmen gibt, „grüne" und „braune", sowie zwei Arten von Investor:innen, „grüne" Investor:innen, die „braune" Unternehmen boykottieren, und neutrale Investor:innen, die in beide Arten von Unternehmen investieren. Der Artikel entwickelt ein Gleichgewichtsmodell, um zu zeigen, dass der Ausschluss von „braunen" Aktien aus den Portfolios von „grünen" Investor:innen dazu führt, dass neutrale Investor:innen eine erhöhte Anzahl von „braunen" Aktien halten müssen.


Da neutrale Investor:innen nun mehr „braune" Aktien halten, als sie möchten, führt dies dazu, dass sie eine zusätzliche Risikokompensation fordern. Dies liegt daran, dass neutrale Investor:innen bei einem Verkauf von „braunen" Aktien eine geringere Anzahl potenzieller Käufer:innen haben und somit ein höheres Risiko übernehmen (Mangel an Risikoteilung).


Dementsprechend sind neutrale Investor:innen nur bereit, „braune" Aktien zu niedrigeren Preisen zu kaufen. Basierend auf der Annahme, dass Unternehmen im Allgemeinen bestrebt sind, ihren Shareholder Value zu maximieren, führt diese neue Situation zu Spannungen bei „braunen" Unternehmen. Dies liegt daran, dass die niedrigeren Aktienkurse die Kapitalkosten für „braune" Unternehmen erhöhen.


Um wieder attraktiv für „grüne" Investor:innen zu werden und somit die Kapitalkosten zu senken, haben „braune" Unternehmen Anreize zur Transformation, beispielsweise durch reale Investitionen in grüne Technologien. Diese Transformationen sind jedoch mit Kosten verbunden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass „braune" Unternehmen sich für eine Transformation entscheiden, wenn der Nachteil höherer Kapitalkosten größer ist als die Kosten der Transformation.


Ein wichtiger Treiber in diesem Modell ist der Marktanteil von „grünen" Investor:innen, die „braune" Unternehmen boykottieren. Je höher dieser Anteil ist, desto schwerwiegender sind die negativen Auswirkungen auf die Aktienkurse von „braunen" Unternehmen und desto wahrscheinlicher werden Transformationen. Daher kann im Allgemeinen erwartet werden, dass der Einfluss über ein erhöhtes Volumen von „grünen" Investmentfonds verstärkt wird.


In einer aktuellen Studie erweitert Zerbib (2022)[3] das Modell. Im Wesentlichen zeigt er auf, warum neutrale Investor:innen eine Entschädigung für das Halten von braunen Aktien benötigen, indem er damit verbundene Risikofaktoren identifiziert. Die Verschiebungen der erwarteten Renditen lassen sich auf zwei Risikofaktoren zurückführen: 1) Die Erhöhung der erwarteten Rendite von braunen Aktien basiert auf dem Super-Risikoaufschlag von Errunza und Losq (1985)[3a] und 2) Die Reduzierung der erwarteten Renditen von grünen Aktien beruht auf dem lokalen Segmentierungsaufschlag von Dejong und Deroon (2005)[3b]. Beide Risikoaufschläge resultieren aus der Segmentierung des Kapitalmarktes.


Pástor et al. (2021)[4] untersuchen, wann grüne Aktien eine bessere Performance aufweisen können, obwohl sie im Gleichgewicht eine niedrigere erwartete Rendite haben. Sie erweitern sie das Modell von Heinkel et al. (2001) und ermöglichen die Existenz von mehr als zwei Unternehmenstypen. Sie zeigen, dass im Gleichgewicht braune Aktien höhere erwartete Renditen als grüne Aktien haben. Dies liegt an der Präferenz der Investor:innen für grüne Aktien und daran, dass grüne Aktien als Absicherung gegen Klimarisiken gut geeignet sind. Grüne Aktien können jedoch zu bestimmten Zeiten eine bessere Performance aufweisen, wenn die Präferenz der Investor:innen für grüne Aktien unerwartet zunimmt. Darüber hinaus können Verbraucher:innen die Preise für grüne Aktien durch den Kauf grüner Produkte positiv beeinflussen und somit den operativen Cashflow grüner Unternehmen erhöhen.


Ardia et al. (2022)[5] testen empirisch einige der Vorhersagen von Pástor et al. (2021), indem sie die Auswirkungen öffentlicher Bedenken in Bezug auf den Klimawandel auf die Bewertung von US-Aktien analysieren. Sie stellen fest, dass eine unerwartete Zunahme der Klimabedenken zu erhöhten (verminderten) impliziten Kapitalkosten für braune (grüne) Unternehmen führt.


Angelis et al. (2022)[6] zeigen den Einfluss von Unsicherheit, Klimavorschriften und neuen Technologien auf die Wirksamkeit von Impact Investing. Aufbauend auf der Studie von Pástor et al. (2021) integrieren sie weitere Faktoren in ihr Modell. Laut den Autoren reduzieren Unternehmen ihre Kohlenstoffemissionen, wenn der Anteil von grünen Investor:innen am Markt steigt und die Unternehmen stark von Klimaexternalitäten (z.B. Dürren) betroffen sind. Investor:innen haben somit Einfluss auf die langfristigen Kohlenstoffemissionen von Unternehmen. Unternehmen haben einen besonderen Anreiz, Kohlenstoffemissionen zu reduzieren, wenn grüne Investor:innen strengere Klimavorschriften und klimabezogene Technologieinnovationen erwarten. Im Gegensatz dazu führt eine zunehmende Unsicherheit der Investor:innen hinsichtlich zukünftiger Klimarisiken dazu, dass der Druck der grünen Investor:innen auf die Kapitalkosten von kohlenstoffintensiven