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Strategische Grundlagen der Geldanlage für eine Welt im Wandel

Aktualisiert: 15. Juli 2022

Wenn wir von langfristiger Geldanlage sprechen, dann sind damit viele Jahre oder gar Jahrzehnte gemeint. Aktien sind die ertragsreichste aller Assetklassen; ertragreicher als Immobilien, Zinsanlagen (Geldmarkt und Anleihen), Rohstoffe, Edelmetalle und viel ertragreicher als die (private oder gesetzliche) Rentenversicherung. Die letzten 52 Jahre lieferte der weltweite Aktienindex MSCI World Standard rd. 6,39% p.a., inklusive aller Krisen und Crashes. Die folgende Darstellung zeigt diese Entwicklung. In unserem Kopf liefert die Information „6,39% p.a.“ meist die Vorstellung einer linearen Entwicklung – siehe rote Linie.

Entwicklung des weltweiten Aktienmarktes MSCI World historisch (seit 1970, Stand 17.06.2022). Logarithmische Darstellung.

Aktienkurse unterliegen allerdings Schwankungen, die allgemein als Risiko bezeichnet werden. Dieses Risiko ist es, das die hohen Langfristrenditen des Aktienmarktes erst erzeugen, denn diese Renditen sind primär Risikoprämien. Die Schwankungen werden jedoch relativ gesehen kleiner, je länger der Anlagehorizont ist. Liegen die Werte historisch betrachtet nach einem Jahr noch zwischen +61% und -43%, so betragen sie nach fünf Jahren nur mehr +30% bzw. -7% p.a. und nach 20 Jahren +18% bzw. +4% p.a.

Quelle: Strategas/Ibbotson. Daten zum 31.03.2022

Langfristig – das zeigen die historischen Daten – geht es an den Aktienmärkten aufwärts. Die kurz- und mittelfristigen Schwankungen kann jedoch niemand zuverlässig prognostizieren, auch wenn uns das nicht einleuchten will und die Finanzbranche mit ihrer unendlichen Geschichte von gebrochenen Versprechen das Gegenteil behauptet.

Ich kenne etliche Fondsmanager verschiedener Fondsanbieter persönlich. Da sind exzellente Leute dabei, keine Frage. Es gibt auch wirklich gut konzipierte automatische Handelssysteme, die „die Emotionen“ ausschalten wollen. Alle versprechen sie, „Wir vermehren dein Geld und du kannst ruhig schlafen, indem wir deine Veranlagung stets optimal anpassen.“ Von wegen. Weil ich niemanden verunglimpfen möchte, sind in der folgenden Darstellung keine Fondsnamen oder -gesellschaften zu sehen. Im folgenden Chart siehst du die Entwicklung der letzten zehn Jahre einiger der besten und beliebtesten Mischfonds, ohne jegliche Kosten oder Steuern, nominal. Nur so viel: in gelb ist ein ETF auf den MSCI World dargestellt …

Sind Fonds deswegen generell schlecht? Nein, man sollte nur wissen, wofür sie geeignet sind und wofür nicht; aber das ist ja meine Aufgabe und eine andere Geschichte…


  • Die traditionelle Methode zur Risikosteuerung eines Portfolios durch Aufteilung in Aktien und Anleihen (risikobehaftet vs. risikolos) funktioniert derzeit nicht oder nur schlecht (siehe auch weiter unten zum Thema Anleihen).

  • Market-Timing, d.h. „Kaufen oder Verkaufen zum richtigen Zeitpunkt“ funktioniert in der Praxis überhaupt nicht, das ist wissenschaftlich gut belegt.

Beides ist auch im vorherigen Chart gut nachvollziehbar. Niemand hat die berühmte Glaskugel: Ich nicht, Gurus nicht, Profis nicht, Algorithmen nicht. Auch wenn manche gerne so tun, als ob…

Derzeit fallen wieder einmal die Kurse: Was also tun?

Wenn deine Strategie passt, behalte sie bei!

  • Auf keinen Fall verkaufen, auch nicht umschichten.

  • Sparpläne weiterlaufen lassen [und dich über die automatisch günstigen Kaufkurse freuen].

  • Wenn du Geld zum Nachinvestieren [über der empfohlenen Liquiditätsreserve!] hast, investiere sofort und freue dich über die günstigen Preise – sei aber nicht naiv zu glauben, dass deine neue Investition nicht auch noch an Wert verlieren könnte.

„Wer an der Seitenlinie steht, kann kein Spiel gewinnen“ oder:

„Time in the market is more important than timing the market.“

Doch nun zu den jüngsten Ereignissen.

Ein Krieg in Europa. Wer hätte gedacht, dass dies im 21. Jahrhundert noch möglich wäre! Der russische Präsident spricht von historischen russischen Ansprüchen. Was sich dabei wohl die Römer denken? Abgesehen von der unfassbaren menschlichen Tragödie, hat dieser unsägliche Krieg v.a. über Umwege Auswirkungen auf den Rest der Welt: Russland als großer [fossiler] Energielieferant sorgt [bewusst] für Unsicherheit und Preissteigerungen an den Energiemärkten, v.a. den europäischen, und damit indirekt für hohe Inflation [Mai 2022 8% in A]. Diese begann allerdings schon vor der Eskalation in der Ukraine zu steigen Die Finanzmärkte leiden seit Jahresende 2021 v.a. unter den steigenden Zinsen als Reaktion der Notenbanken und Märkte.


Im Folgenden die drei wesentlichen Darstellungen der Zusammenhänge:

Die Energiepreise stiegen zuletzt enorm an.

Nachdem Energie sowohl direkt über höhere Strom-, Heiz- und Mobilitätskosten als auch indirekt über gestiegene Produktions- und Transportkosten auf die allgemeinen Verbraucherpreise wirken, stieg die Inflation auf schon lange nicht mehr erreichte Niveaus:


Quelle: Eurostat, Refinitiv Datastream, J.P. Morgan AssetManagement

Die Kerninflation entspricht der Gesamtinflation ohne Energie, Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak und stieg in Folge der Energiepreissteigerungen.

Die hohen Inflationsraten führten wiederum zu steigenden Zinsen. Hier auszugsweise die „Marktzinsen [10J. Staatsanleihen]“ in der EU und den USA: Ein Anstieg von rd. 2% bzw. 1,5% in einem Jahr.

Quelle: comdirect.de vom 17.06.2022

Diese Entwicklung hat nun auch Auswirkungen auf die verschiedenen Anlageklassen.
Geldmarkt [Konten, Sparbücher usw.]:

Sparbücher waren für den Vermögensaufbau noch nie geeignet, denn real – also nach Abzug der Inflation – waren die Erträge fast immer negativ. Derzeit ist der Verlust allerdings enorm. Alles, was über der notwendigen Liquiditätsreserve [Empfehlung: rund 6 Monate Fixkosten] liegt, gehört [nachhaltig] veranlagt! Jetzt wäre es wieder besonders günstig…

Anleihen:

Anleihen gelten allgemeinhin als sichere Anlagen. Sie dienten seit Jahrzehnten als zinstragendes, aber risikoloses Pendant zu Aktien in den Portfolios der Anleger:innen. In den letzten dreißig Jahren haben wir uns an diese „Tatsache“ gewöhnt, allerdings oft nicht beachtet, dass in diesem Zeitraum die Zinsen fast kontinuierlich gefallen sind. In solch einem Umfeld steigen die Anleihekurse – und umgekehrt! Im gegenwärtigen Umfeld von Zinssteigerungen fallen die Anleihekurse. Je länger die Laufzeit [vereinfacht Duration], umso größer die Reaktion auf Zinsänderungen.

Quelle: Kommer (Blog vom 03.06.2022)

Eine deutsche Staatsanleihe mit 10 Jahren (Rest-)Laufzeit verlor in den letzten 12 Monaten rd. 14% an Wert, eine mit 1 Jahr Restlaufzeit rd. 1,6%! In „normalen Zeiten“ fungieren Anleihen auch als stabiler Anker, denn in Krisenzeiten gelten sie idR. als risk-off Veranlagung, die sich umgekehrt zum Aktienmarkt entwickelt, also steigt, wenn Aktienkurse fallen [negative Korrelation]. In Szenarien mit erhöhter Inflation [> 3%] dreht sich diese negative Korrelation allerdings oft in eine positive, d.h. sie bewegen sich gleichlaufend mit Aktien. Die ausgleichende, risikodämpfende Wirkung in den Portfolios ist derzeit daher leider auch nicht mehr vorhanden.

Seit Jahren warne ich vor dieser Entwicklung, nun ist sie in vollem Gang.


Immobilien:

Im Gegensatz zu Zinssätzen und Börsenkursen sind Immobilienpreise NICHT transparent, d.h. wir sehen Schwankungen nicht. Dazu kommt, dass Immobilien immer nur einzeln zu bewerten sind: die idente Wohnung mit Ausrichtung in einen Innenhof ist völlig anders zu bewerten als jene, die in Richtung einer Durchzugsstraße liegt. Die Immobilienpreise für gute Objekte dürften hoch sein und vielen Vorsorgeimmobilien mangelt es mittlerweile an Mietrenditen. Steigende Zinsen führen zu noch schlechteren Renditen oder fallenden (!) Immobilienwerten, das ist die mathematische Konsequenz der nötigen Abzinsung zukünftiger Geldflüsse [Mieteinnahmen]. Ob die Höhe der Mieten sowohl an die Inflationsrate als auch an die steigenden Zinsen angepasst werden kann, stelle nicht nur ich in Frage…

Viele von uns leben in Eigenheimen, d.h. ein beträchtlicher Anteil des Vermögens ist in Immobilien gebunden. Diesen Anteil zu erhöhen, halte ich für keine gute Idee, derzeit schon gar nicht.


Rohstoffe, Edelmetalle, Gold:

Eine Investition in Rohstoffe ist generell schwierig. Kaum jemand hat Lagerkapazitäten dafür. Selbst als 2020 der Ölpreis kurzzeitig negativ war [ja, man hätte dir für die Abnahme von Erdöl sogar etwas bezahlt!] wollte es niemand, die Lager waren voll. Dasselbe gilt für die meisten Rohstoffe, von Weizen bis Kupfer. In Rohstoffe kann man als Private/r idR. daher nur über Optionen und Futures investieren oder aber in Edelmetalle. In Krisenzeiten wird Gold stark nachgefragt, weil es wertbeständig wäre. Ich muss gestehen, bei genauerer Betrachtung habe ich dieses Argument noch nie verstanden: zahle ich im Ernstfall beim Bäcker mit meinem Goldbarren, schabe ich davon etwas ab? Wer misst das dann, wie rechne ich um? In Kriegszeiten war Gold übrigens meist verboten. Jedenfalls sollte Gold nur einen geringen Anteil am Vermögen haben [max. 5 – 10%], die teils enormen Lager- bzw. Versicherungskosten von physischem Gold kann man heute allerdings mit Gold-ETF drastisch senken. Ob es bei den aktuell hohen Goldpreisen richtig ist, jetzt zu kaufen, muss jede/r für sich beantworten…


Kryptowährungen etc.:

Ich habe schon öfters betont, dass ich Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum NICHT für den Vermögensaufbau empfehlen kann. Schon aus nachhaltiger Sicht ist bspw. Bitcoin ein Irrsinn, entspricht der Stromverbrauch des Bitcoin-Systems etwa dem von Argentinien… Die Entwicklung der Bitcoin-Kurse der letzten sechs Monate [- 55%!] zeigt aber ganz deutlich, dass auch der gepredigte Schutz vor Inflation nur ein Witz sein kann. Wer mehr über Kryptowährungen, NFT etc. erfahren möchte, möge sich die eindrückliche Erklärung eines IT-Profis dazu ansehen: https://youtu.be/45D7n8tvMho


Aktien:

Die Zinssteigerungen belasten auch die Aktienmärkte. Vielfach werden zur Unternehmensbewertung ähnliche oder dieselben Berechnungsmethoden wie zur Bewertung von Immobilien herangezogen, d.h. zukünftige Gewinne werden heute wesentlich höher abgezinst als noch vor einem Jahr. Deswegen haben jene Branchen die höchsten Abschläge hinnehmen müssen, die v.a. in der Zukunft hohe Gewinne versprechen. Das waren bspw. Digitalisierung oder Cloud Computing, die innerhalb von 6 Monaten bis zu 45% verloren. Der weltweite Aktienmarkt [MSCI World – blau] sowie ein typisches ZEPCON-ESG-Portfolio [grün] sind heuer rund 20% im Minus, der weltweite nachhaltige Aktienmarkt [MSCI World SRI – grau] mit rund 17%. Das ist besonders deshalb bemerkenswert, da gerade die Branchen mit der besten Entwicklung 2022 [fossile Energie und Waffen] NICHT in nachhaltigen Portfolios enthalten sind.


FAZIT:

Nachhaltige Aktienveranlagungen sind derzeit noch immer die erste Wahl. Vielleicht ändert sich das in Zukunft und nachhaltige Anleihen gewinnen wieder an Attraktivität. So oder so: Nachhaltige Geldanlage zahlt sich aus.

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